Architekten-Planwerk
Dipl.Ing.Dipl.Naut. Ulrich Kopp
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Was steht für den Namen der Rose?

Was steht für den Namen der Rose?Herr Kopp, einen Architekten mit ausgeprägter Affinität zum Grün trifft man nicht alle Tage. Wie kommt ein Architekt aus dem süddeutschen Hohenlohe dazu, sich mit alten Englischen Rosen zu beschäftigen?

Architekten mit Affinität zum Grün gibt es durchaus. Man findet sie wohl mehr unter den Kollegen, die sich weniger als Projektsteuerer und Manager fühlen, sondern eher als Architekten im klassischen Sinne. Architekten, die sich mit Rosen beschäftigen, sind wohl etwas seltener finden, denn die Rose verkörpert im modernen Bauen alles das, was man für rückwärtsgewandt hält. Es ist ein bißchen so wie mit dem Baustoff Naturstein, der bei deutschen Architekten noch bis vor kurzem als anrüchig galt, während man z. B. Glas als 'intelligent' und innovativ einstufte. Aber wer will denn heute nicht als innovativ gelten?

Wie soll man das verstehen?

Schon das 'Grün' an sich kann, wenn überhaupt, bei den heutigen Hightech-und Megaprojekten, naturgemäß nur eine marginale Rolle spielen. 'Grün' ist ja heute oft nicht mehr als nur Dekoration, Oberflächenstruktur von Freiflächen, oder eine von vielen möglichen Texturen einer Computergrafik. Projektentwürfe, die sich mit der gebauten Umgebung und mit der umgebenden Natur adäquat auseinandersetzen, das findet man heutzutage selten, weil man sich ja selber als Designer neuer Welten fühlt. Was sollen da Rosen neben einer Aluminiumhaut oder einer Teflonmembrane? Das spricht nicht miteinander. Und natürlich kann sich das Wesen der Rosen nur vor einer maßstäblichen Architektur entfalten.

Dort aber, wo das menschliche Maß noch gilt und die Materialien stimmen, da können Rosen noch ihre heilende, ja beglückende Wirkung tun. Daraus habe ich meine Konsequenzen gezogen. Meine Architektur muß mit den Rosen 'sprechen' können. Zu dieser Erkenntnis bin aber erst gelangt, nachdem ich schon einige Zeit in der alten Kulturlandschaft Hohenlohe, an der bayrisch-württembergischen Grenze gelebt hatte. Hier gingen mir sozusagen die Augen auf.

Aber was ist das Wesen der Rosen? Sind Rosen entsprechend der Attribute, die man mit ihnen verbindet, unzeitgemäß, oder anders gefragt, sind Sie dementsprechend ein rückwärtsgewandter Architekt, ist Ihre Architektur überholt?

Das sehe ich keineswegs so. Werte für die die Rosen stehen, sind im Grunde immer modern, weil sie zeitlos sind. Das Gleiche muß auch für die ihnen gemäße Architektur gelten. Wenn ich von Rosen spreche, so meine ich im übrigen 'Alte' Rosen oder wenigstens Rosen alten Charakters. Was Rosen sind, davon haben die meisten Menschen falsche Vorstellungen. Das gilt leider auch für Architekten. Heute meint man mit Rosen solche, wie sie gewöhnlich in den Vorgärten stehen. Das sind meistens sogenannte Edelrosen, wie sie der Zeitgeist im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat.

Edelrosen sind Allroundpflanzen, immerblühende, vasentaugliche Solitäre, mit Blütenblättern wie Marzipan. Kein Wunder, daß coole Minimalisten damit nichts anfangen können. Die meisten Architekten halten Rosen für den reinen Kitsch, bestenfalls passend neben Gartenzwergen und Minispringbrunnen. Mit den eigentlichen Rosen hat das aber wenig zu tun.

Und die 'richtigen' oder besser die Alten Rosen?

Von Alten Rosen spricht man, wenn sie aus der Zeit vor Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Damals hat man zum ersten Mal die heimischen Sorten mit asiatischen Sorten gekreuzt. Auf den in Europa seit Jahrtausenden wachsenden Arten, das sind - nach heutigen Erkenntnissen - nur eine Handvoll, nämlich Albarosen, Moschatarosen, Gallische Rosen und Damaszenerrosen, basierten hunderte, wenn nicht tausende von Rosensorten, die im Laufe der Zeit entstanden, heute aber längst ausgestorben sind, weil man mit den chinesischen Arten neue Züchtungsideale gefunden hatte. Damals schon waren die Alten Rosen unmodern.

Alte Rosen haben nach heutigen Vorstellungen vor allem ein Manko: sie blühen meist nur einmal im Jahr, im Juni, das ist der Hauptrosenmonat! Und das Spektrum ihrer Blütenfarben liegt lediglich zwischen weiß - das sind die Albarosen - rosa, der eigentliche Rosenfarbe und verschiedensten Rottönen. Die chinesische 'Teehybride' hatte aber, außer daß sie remontierend, also dauerblühend war, eine weitere Eigenschaft: sie war gelb und roch nach grünen Teeblättern. Das war damals der letzte Schrei! Aber auch das ganz dunkle Rot stammt von chinesischen Rosen. Der Nachteil der Chinarose ist aber ihre Frostempfindlichkeit. Damit haben die neuen Züchtungen heute noch zu kämpfen. 'Englische Rosen' sind übrigens neue Züchtungen, die die Vorteile der moderen Rosen mit denen der alten verbinden sollen.

Nochmal zu den Eigenschaften der Alten Rosen. Was macht denn ihre eigentliche Qualität aus? Haben Rosen, hat eine Architektur, die mit den Rosen 'spricht', wie Sie sagen, überhaupt noch Platz im Zeitalter des Hightech und der Megaprojekte?

Alte Rosen sind meist robust, sie bilden imposante und oft meterhohe Büsche und Sträucher. Sie können über zehn Meter hoch in alte Bäume hinaufklettern und sie zu neuem Leben erwecken wie der Rambler, oder sie können ganze Wände beranken. Schon immer hat man mit Rosen auch blühende schützende Hecken angelegt, wie mit der Schottischen Zaunrose oder der Hundsrose. Rosen sind somit auch großartige Raumbildner, die wie Gebäude, Jahrhunderte überdauern können. Bei geeigneten Bedingungen können Rosen eine einzigartige Verbindung eingehen mit einer Landschaft, aber auch mit einer Architektur, nur vergleichbar vielleicht mit einem großen Baum, der ja auch einen Ort prägen kann.

Rosen gehören zu den ältesten Pflanzen, mit denen der Mensch in Gemeinschaft lebt, wahrscheinlich auch deshalb, weil sie schon immer zu Heilzwecken, als Nahrungsmittel und Kosmetika genutzt wurden. Den eigentlichen Mythos der Rosen haben aber ihre anmutigen Blüten begründet und der betörende Duft, den sie verströmen. Daher war die Rose auch schon immer das Zeichen der Liebe. Schon der bloße Anblick eines Rosenstrauches kann Balsam für eine verwundete Seele sein. Wer einmal an einem lauen Sommerabend in einer Rosenlaube gesessen hat, der weiß, wovon ich rede.

'Maiden's Blush', zu Deutsch 'Jungfäuliches Erröten' so heißt eine der liebreizendsten Rosen, die ich kenne. Freilich muß hierbei dem heutigen Sozialethiker die Zornesröte in's Gesicht schießen, Anmut, Zartheit und Keuschheit(!) Liebe und Wärme, das alles steht für den Namen der Rose, sozusagen die pure heile Welt! Paßt das noch in unsere heutige 'coole' Zeit? fragen Sie, Sie werden sich wundern, es paßt! Es paßt vielleicht nicht vor den Hintergrund mancher Hightech-Projekte, ganz zu schweigen von der Hybris moderner Großbauten. Aber wo steht geschrieben, daß diese Gebilde die Zeiten überdauern werden, wie einst die Rosen und die ihnen gemäße Architektur, von denen es Jahrtausende alte Zeugnisse gibt?

Aber ist das nicht ein wenig zu romantisch gedacht und womöglich gar innovationsabweisend?

Das innovative Bauen, das ganz im Zeichen der der Hochtechnologien und der großen Menschenmassen steht, hat sicher seine Berechtigung, sonst wird man die großen Probleme der nahen Zukunft wahrscheinlich nicht lösen können, aber ohne eine Architektur der Maßstäblichkeit für die Menschen und ohne menschengerechte Räume, erst recht nicht. Bisher hat sich noch immer gezeigt, daß die seelischen Bedürfnisse des Menschen die wichtigeren sind. Die 'Moderne' hat sich aber bisher wenig oder gar nicht um diese Belange gekümmert. Wenn sie das nicht lernt, oder wenigstens berücksichtigt, so wird sie scheitern, das ist für mich ganz klar. Im übrigen sollte man vielleicht einmal den Begriff 'Innovatives Bauen' in einen anderen Licht betrachten. Manches, was uns heute als Innovation verkauft wird, würde sich dann vielleicht nur als ein 'alter Hut' erweisen.

Es muß auch in der Zukunft Raum sein für eine Architektur, die mit den Rosen 'sprechen' kann. Und diese Architektur wird nicht rückwärts gewandt sein, weder technisch, noch in der Formensprache, sondern ganz auf der Höhe der Zeit. Die Rosen bilden für mich hierbei ein Regulativ, sie sind ein Geschenk des Himmels an uns Menschen, sozusagen ein biblisches Pfund mit dem wir wuchern sollten. Neben den großartigen Eigenschaften der Rosen, von denen ich gesprochen habe, hat mich aber auch immer der Charme einer natürlichen Unvollkommenheit gereizt. Man spürt hier noch so etwas wie eine - geradezu weibliche - Unberechenbarkeit, den Imponderabilien der Rosen, wie es einmal ein großer Rosenkenner genannt hat. Im Grunde ja auch eine sehr menschliche Eigenschaft, die man heute freilich am liebsten ganz eliminiert sähe.

Mit den Rosen und der ihnen gemäßen Architektur ist aber sichergestellt, daß der Mensch im Mittelpunkt steht. Das wird auch notwendig sein, denn nur menschliche Individuen sind es letzten Endes, die die Aufgaben der Zukunft lösen können.

Wie soll man sich eine Architektur vorstellen, die dies leistet? Kann man das an einigen Kriterien festmachen, beispielsweise an Materialien oder an der Formensprache?

An den Bedingungen für eine menschengerechte Architektur hat sich trotz des gewaltigen technischen Fortschritts bis auf den heutigen Tag nichts wesentliches geändert. Was sich geändert hat, das sind eben die Techniken und teilweise die Materialien. Es gibt aber keine Quantensprünge in der Architektur, weil auch die Menschen und ihre Bedürfnisse die gleichen geblieben sind. Daher gelten beim Bauen großenteils immer noch die alten Regeln, die man nicht einfach ungestraft außer Kraft setzen kann. Und auch die Aufgaben des Architekten sind die gleichen, nämlich menschengerechte Räume zuschaffen, Innenräume, aber auch Außenräume. Das hat man in den letzten Jahrzehnten vergessen, aber vielleicht hat man es auch einfach ignoriert.

Genau betrachtet ist das innovative Bauen, worauf man heute so stolz ist, nur durch einen ungeheuren Einsatz von Energie möglich geworden, sowohl bei der Herstellung der Materialien, als auch beim Bau, aber noch mehr beim Betrieb der Anlagen. Innovative Großprojekte haben heute mehr vom Charakter eines Schiffes und ein Eigenleben wie eine Maschine. Schiffe und Maschinen haben aber einen hohen Energie- und Wartungsbedarf und ihre Lebensdauer ist vergleichsweise gering. Das liegt in der Natur der Sache. Was wird aber sein, wenn die Energieströme einmal nicht mehr so fließen wie gewohnt, oder wenn wir uns diese Energie nicht mehr leisten können? Eine überzeugende Antwort hierauf habe ich bislang noch nicht gehört. Dabei hat es doch immer nur die eine Antwort gegeben, nämlich daß man mit der Natur bauen muß und nicht gegen sie! Wie man das macht, und was darunter zu verstehen ist, das haben uns die Altvorderen gezeigt. Unsere Aufgabe wäre es, dieses Wissen auf unsere Verhältnisse zu übertragen.

Bauen mit der Natur heißt sinnliches Bauen, beginnend mit der Standortwahl und einer Auseinandersetzung mit der Umgebung. Aber das wesentliche in der Architektur, das sind die Räume, die entstehen. Zuerst die Außenräume, sie sind die wichtigeren, weil sie für alle Menschen da sind. Und dann die Innenräume für die Bewohner oder Benutzer. Menschengerechte Räume müssen für die menschlichen Sinne erlebbar, d. h. wahrnehmbar sein. Die Voraussetzung hierfür sind angemessene Größenverhältnisse, die Maßstäblichkeit. Und dann ist es Sache der Baukunst, mit den geeigneten Mitteln, z. B. mit der Formensprache, den Materialien, eine Konzeption zu finden, die allen Belangen gerecht wird. Das ist die hohe Kunst eines Baumeisters - sofern er sie beherrscht! Architekten, die sich darauf einlassen, ist von vornherein klar, daß das wichtigste an ihrer Aufgabe die Auseinandersetzung mit der Umgebung, mit der Natur ist. Und die Natur ist überall, auch in der Großstadt.